Dr. Rolf Klinke al. Hermes & Eric Prieditis al. Simson

(RP-Foto:Isabella Raupold)

Die Tunicaria in der Rheinischen Post



Die Mark im Bierzipfel

Die Zeremonie als Spiel: Die 'Tunicaria' ist die letzte aktive
Studentenverbindung an der Fachhochschule Niederrhein: Man sieht sich als
Freundschaftsbund mit besonderen Umgangsregeln.

Eine Verbindung lebt von jungen Leuten, sagt Tunicaren-Ehrenpräside Rolf Klinke (r.)
Aktiven Präside Eric Prieditis nickt.

Von PHILIPP HOLSTEIN

MÖNCHENGLADBACH. Es dauert ein paar Minuten bis aus Eric Simson wird. Zuerst muss sich Eric Prieditis die schwere Jacke aus schwarzem Samt überwerfen, die im Verbindungsjargon 'Pekesche' genannt wird. Wenn der Präside der Aktiven alle Kordeln über der Brust geschlossen hat, legt er das Band mit den Verbindungsfarben Blau-Gold-Rot an.
Dann setzt er sich sein 'Prunktönnchen' auf den Kopf und streift sich die Lederhandschuhe über. Vor uns steht Simson. Das ist der Spitzname des 30-Jährigen im Verbindungshaus.

Die Tunicaria ist die letzte aktive von ehemals fünf Studenten-Verbindungen an der Hochschule Niederrhein.
1952 wurde sie mit dem Ziel gegründet, den Studierenden während ihrer Zeit auf dem Campus eine Heimat zu geben. Von 'einem politisch neutralen Freundschaftsbund mit bestimmten Umgangsregeln' spricht Ehrenpräside Rolf Klinke (74).
Der vormalige Dekan des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik gehört seit 1959 der Tunicaria an.

170 Mitglieder zählt die Gemeinschaft, davon sechs Aktive, die das Verbindungshaus an der Rheydter Strasse unterhalten.

 

Man bezeichnet sich als nichtschlagend, aber farbentragend. Das Erkennungszeichen auf dem Campus ist der 'Bierzipfel', ein Band, dass man an der Gürtelschnalle trägt.

Ein Spiel

'Jedes Mitglied kann aufs Haus kommen, wann immer es mag', sagt Prieditis. 'Einmal die Woche ist zudem Stammtisch. Und zwei, dreimal im Semester gibt's die sogenannte Kneipe, das traditionelle Treffen, zu dem auch die Alten Herren kommen'.

Sind Verbindungen nicht altmodisch? Warum engagiert sich Prieditis gerade hier? 'Ich war immer schon historisch interessiert', sagt er. Das mit den Zeremonien, die immer noch wie vor 150 Jahren abgehalten werden, liege ihm. Als Präside leitet er die Kneipen. 'Das ist ein Spiel', findet er. 'Eines das der Characterbildung dient, weil man mit den Alten Herren ebenso reden muss, wie mit den Neulingen, den Füxen.'
Und es gibt noch den anderen Vorzug des Verbindungslebens: Das Netzwerk aus Alten und Jungen. 'Viele Ehemalige haben inzwischen eine gute Position in der Wirtschaft', sagt Klinke.

 

Und da ist es selbstverständlich, dass man den Jungen finanziell und ideell hilft.' Finanziell heisst, dass die Ehemaligen die Miete fürs Verbindungshaus bezahlen; ideell dass etwa Betriebsbesichtigungen oder Hospitanzen organisiert und ermöglicht werden. Viele Aktivitäten, wie Lerngruppen oder Vorträge stehen nicht nur den Mitgliedern, sondern allen Studenten offen. Man könne also durchaus von sozialem Engagement sprechen, meint Prieditis.

Von den konkreten Vorzügen, Mitglied einer Verbrindung zu sein kann Klinke ein Lied singen. Er war beruflich in Hong Kong unterwegs und konnte partout kein Hotelzimmer finden. Also rief er einen Tunicaren an, der inzwischen dort lebt. 'Am selben Abend hatte ich ein Super Zimmer', sagt Klinke.

Ein Anruf in Notzeiten

Von wegen altmodisch also? Nicht ganz. Zumindest Prieditis ist wenigstens anderthalb Jahre zurück. Denn in ihrem Bierzipfel verwahren die Tunicaren traditionell eine Münze, um in Notzeiten einen Anruf bei einem Kameraden machen zu können. Die meisten führen ein 50-Cent Stück mit - Prieditis immer noch eine Mark.


Quelle:Text- und Bild aus der Rheinischen-Post